Dossier Jonas Fränkel

2013 habe ich in einer Kolumne geschrieben: «Jonas Fränkel (1879-1965) war ein bedeutender Schweizer, den heute kaum mehr jemand kennt. Er kam 1899 als Student aus Krakau via Wien in die Schweiz, war seit 1909 Privatdozent und seit 1921 – unterdessen eingebürgert – ausserordentlicher Germanistikprofessor an der Universität Bern. Als Jude, gebürtiger Ausländer und Hörbehinderter war sein Leben geprägt von Ausgrenzung und Diskriminierung; als Sekretär und Freund von Carl Spitteler und später als Herausgeber von Gottfried Kellers ‘Sämtlichen Werken’ wurde er von einem nationalistischen Philologenklüngel an den schweizerischen Universitäten mit allen Mitteln bekämpft.»

Bei meiner Arbeit als Mitherausgeber an der C. A. Loosli-Werkausgabe des Rotpunktverlags (zusammen mit Erwin Marti) begegnete mir Fränkel immer wieder. Fast in jedem der sieben Loosli-Bände drängte es sich auf, den einen oder anderen Brief Fränkels zu dokumentieren. Fränkel war Looslis langjährigster Freund und stand mit ihm in ständigem mündlichem oder schriftlichem Kontakt. Ihr Briefwechsel reicht von 1905 bis 1958 und umfasst 3145 Dokumente. Eine Auswahledition aus diesem Briefwechsel haben Dominik Müller und ich Anfang 2022 im Chronos Verlag herausgeben unter dem Titel «…dass wir beide borstige Einsiedler sind, die zueinander passen».

Im Anschluss an die Arbeit an der Loosli-Werkausgabe bin ich mit Fränkels Sohn und Nachlassverwalter Salomo Fränkel (1929-2018) im Gespräch geblieben. Er stellte mir Jonas Fränkels handgeschriebene «Bibliographie seit MCM» zur Auswertung zur Verfügung. Leider konnte er sich anschliessend nicht dazu durchringen, den Nachlass seines Vaters einem Archiv zu übergeben und so die Arbeit an den Quellen zu ermöglichen. So zerschlug sich mein Plan, zu Fränkels 50stem Todestag am 4. Juni 2015 mit einer grösseren Publikation an ihn zu erinnern.

Nach Salomo Fränkels Tod im November 2018 übernahm Jonas Fränkels Grosssohn David Fränkel und dessen Tochter, die Literaturwissenschaftlerin Jael Bollag, die Nachlassverwaltung. Sie übergaben den Fränkel-Nachlass im April 2021 dem Schweizerischen Literaturarchiv (SLA). Sobald der sehr umfangreiche Bestand katalogisiert sein wird, kann die Fränkelforschung beginnen (bereits erschlossen ist der «Kryptonachlass Carl Spitteler» innerhalb des Fränkel-Nachlasses). Ich bin überzeugt, dass nicht nur ein profilierter Literaturwissenschaftler und Philologe, sondern einer der bedeutendsten schweizerischen Intellektuellen seiner Zeit zu entdecken sein wird. (21.12.2021; 5.1.2023)

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Achtung: ein intellektueller Kontinent. Quarto Nr. 28/2009.

Die Sache mit den Hörnern des Moses. Kolumne im Langenthaler Tagblatt, 30. 7. 2011.

Der Philologe als Künstler. NZZ, Nr. 15, 19. 1. 2013.

Abbruch des Projekts Jonas Fränkel. Monatskolumne, 1. 11. 2013.

Der ausserordentlichste Professor der Uni Bern, Journal B, 4. 6. 2015.

Wer verhalf Carl Spitteler zum Nobelpreis? C. A. Loosli-Facebookseite, 5. 4. 2019.

Carl Spittelers Literaturnobelpreis (1. Jonas Fränkel taucht auf; 2. Lobbyist Jonas Fränkel; 3. Jonas Fränkels Durchbruch). Journal B, 15., 17. und 19. 10.2019.

Spanische Grippe in Bümpliz und in Merligen. – Eine Reminiszenz in Zeiten von Corona. Journal B, 30. 4. 2020.

• Der neue Spitteler-Kontinent. – Gespräch mit Stefanie Leuenberger zum Verein «Carl Spitteler-Netzwerk». «Ich schweige nicht!, Nr. 14 / 2022.

• Fredi Lerch / Dominik Müller [Hg.]: Carl Albert Loosli, Jonas Fränkel: «…dass wir beide borstige Einsiedler sind, die zueinander passen». Aus dem Briefwechsel, 1905-1958. Unter Mitarbeit von Jael Bollag und Erwin Marti. Zürich (Chronos Verlag) 2022.

Aktuell

Zum Projekt

 

Die Website «Textwerkstatt Fredi Lerch» versammelt journalistische, publizistische und literarische Arbeiten aus der Zeit zwischen 1972 und 2022, ist abgeschlossen und wurde deshalb am 15. 1. 2024 zum zeitgeschichtlichen Dokument eingefroren.

Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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