Feuilletonbeiträge

«Feuilleton»? Auf der Redaktion der WochenZeitung (WoZ), wo ich lange gearbeitet habe, hat man den entsprechenden Zeitungsbund mit «Kultur» überschieben. Heute scheint mir, «Kultur» sei ein Anspruch gewesen, den wir nur ausnahmsweise eingelöst haben. Was tatsächlich stattgefunden hat auf diesen Zeitungsseiten, war «Feuilleton» aus der Perspektive einer linken Subkultur.

Kultur – als Gegenbegriff zur Natur – ist das Insgesamt, wie Menschen ihr Leben in und mit dieser Natur, deren Teil sie sind, und ihr soziales Zusammenleben organisieren. Nichts hat die Zeit, in der ich schreibe, mehr geprägt, als die Expansion der Marktstrukturen auf immer mehr Formen des zwischenmenschlichen Verkehrs. Der Neoliberalismus hat die Notwendigkeit einer umfassenden Kassenhäuschen-Kultur zur quasi-religiösen Gewissheit gemacht.

«Feuilleton» ist die Rede über die Kultur innerhalb der Kassenhäuschen – «Kultur» würde auch die Kritik an dieser Kassenhäuschen-Welt und die Rede über die Welt ausserhalb der Kassenhäuschen umfassen. Was ist eine «Hamlet»-Inszenierung gegen das Kassenhäuschen im Vorraum des Theaters oder den Verkehrsunfall gleich um die Ecke?

Darum «Feuilleton». Wohl bemühe ich mich von Fall zu Fall, über Waren und deren ProduzentInnen kritisch zu reden. Insofern ich aber innerhalb der Kassenhäuschenwelt hinschaue, sehe ich nichts als Waren und ProduzentInnen, für die auch kritische Erwähnung Reklame ist. Darum ist meine Kritik nicht mehr als die Pointe des Pausenclowns, dem die Eintrittspreise des Zirkus egal sein müssen, solange der Direktor seinen Lohn zahlt (und würde er eines Tages dem Direktor den Lohn zahlen, hätten sich wohl die Machtverhältnisse, aber nicht die Kultur verändert.)

Allerdings schreibe ich in der Überzeugung, dass ich in einer Kultur lebe, die durch die Logik der Kassenhäuschen-Welt geprägt ist. «Feuilleton» ist nicht «Kultur». Aber die Kultur ist in vielem determiniert durch die Logik der Kassenhäuschen-Welt. Darum ist diese wohl immer wieder der Rede wert.

Aktuell

Zum Projekt

 

Die Website «Textwerkstatt Fredi Lerch» versammelt journalistische, publizistische und literarische Arbeiten aus der Zeit zwischen 1972 und 2022, ist abgeschlossen und wurde deshalb am 15. 1. 2024 zum zeitgeschichtlichen Dokument eingefroren.

Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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