XV

 

Der Klotz im Hinterkopf: dieser Stein aus Nichts.

Die schiefverspannten Schultern. Die Angst, jetzt gleich

Ins Bodenlose abzustürzen.

Mitten im Pausengelächter, plötzlich

 

Der lichterlohe Schwindel, schon durchschaut zu sein,

Als diesem Ort nicht würdig: Ich ging verirrt

Durchs Lehrerseminar und fand den

Rettenden Ausgang des Labyrinths nicht.

 

Französischdrill: des Lehrers Begeisterung

Nach Allendes Tod. Der verschreckte Mann,

Der Pädagogik lehrte. die

Lehrerin, die mich als Frau erschreckte.

 

Der Schein des akademischen Wissens. Tief

Gedachte Hochkultur für Armee und Staat.

Der Tenor des Gesangsmagisters

Wünschte zum Teufel die Fremdarbeiter.

 

Gestanzt: der Tag der Aufnahmeprüfung. Blind

Vor schierer Angst die Suche des Prüfungsraums

Im Haus: An einer falschen Türe

Öffnet die lächelnde Lichtgestalt, die

 

Mir forthilft, später tröstendes Traumbild wird,

Nach Schuleintritt für immer verschwunden bleibt.

Nur Konkurrenz ist da: Wem gilt das

Pausengelächter der Lehrersöhne?

 

Zuhaus der Stolz: Man hält mich nun für gescheit.

Für einen Lehrer nimmt mich das Dorf bereits,

Man grüsst mich mit Respekt und Misstraun:

Anderssein ehrt und macht fremd. Die Leere.

 

So ging ich in den Fussballverein des Dorfs.

Ich floh in alte Fesseln vor neuerm Zwang,

Trug stolz die Uniform der Mannschaft:

Fassbar der Feind nun, die Regeln einfach.

 

Im Anspielkreis das Warten, den Fuss am Ball.

Der Anpfiff. Erste Läufe. Die Kraft bricht auf.

Die Flanke. Antritt. Schuss. Der Flug des

Balls knapp vorbei an gegrätschten Beinen.

 

Mein Keuchen. Kurze Zurufe übers Feld.

Dazugehörn und frei sein! Das aufgeschürfte Knie,

Der Schweiss im Pausentee. Der herbe

Sägemehl-Gras-Geruch. Stets: der Abpfiff.

 

Die Schulbank tags darauf. Wieder schiefverspannt.

Man nennt mich hier nun «Bacchus», mein Bluff: das Bier.

Die Ahnung, einmal abzustürzen,

Schäumt aus der Nase als bittre Kotze.

 

[20.-28.2.1997]

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