Unterstand im Echsenland

 

«Gestern kam vom Rotpunktverlag die Honorarabrechnung 2005: ‘Echsenland’ wurde in einer Auflage von 858 Exemplaren gedruckt. Davon sind zur Zeit 580 an Lager, abgesetzt wurden 278. Davon waren 65 Gratisexemplare. Von den restlichen 213, den ‘verkauften’, liegen noch knapp 10 bei mir im Büro, ebensoviele gingen an die städtische Literaturkommission, gut zwanzig wurden an der Buchvernissage abgesetzt. Über den Ladentisch gingen demnach effektiv knapp 175 Exemplare. Ansonsten: drei Rezensionen (im Mai in der WOZ, im Juli in der NZZ, im November im ‘Bund’); eine Lesung in Brugg im Rahmen eines Anlasses, [an dem es nicht um ‘Echsenland’, sondern darum ging, dass sich der Verlag vorstellte, fl. 6.3.2016] mit vier Leuten im Publikum, die nicht zu den Veranstaltern oder zum Verlag gehörten. Sonstige Reaktionen: keine. Eine Tür ist nicht aufgegangen, die eine minimale Perspektive zur Diversifizierung meines Schreibens geboten hätte. Zweifellos war es für mich persönlich gut und nützlich, dass ich den Schreib- und Themenkomplex, für den nun das Wort ‘Echsenland’ steht, abgeschlossen habe. Aber die Buchveröffentlichung war nicht gerechtfertigt.» (Tagebuch, 15.3.2006)

 

I

Nun sinkt die Sonne der Öffentlichkeit hinter den Horizont
meines Möglichen. Von den Schultern schnall ich die Flügel
aus Wachs. Ungesungen bleiben nun all die eingeübten
Lieder, zu singen unter dem Firmament, wenn endlich
die Startbewilligung käme und ich mich über die Rampe
der Aufmerksamkeit mächtig erhöbe, über das unabsehbare
Meer von staunenden Augen. Schon eilen die letzten
verirrten Strahlen über mich hin und davon: Mein Tag
ist vorüber und ach, ich habe mein billiges Kunststück
vergeblich geübt: Mein Tag war beherrscht von
besser beflügelten Fliegern. Unzeitgemäss sind nun
meine alten Lieder: War nicht ihr fordernder Ton
ein Winseln um Aufmerksamkeit? Jetzt nötigen
keine Fluglotsen mehr zu singen, schon lehrt es
der Tod: Lieder, die helfen, wenn niemand hört,
Lieder wie Pfeifen vor Angst in der Nacht.

 

(1./2. 3. 2006; 6.3.2016)

 

II

Das «Echsenland» wird eingestampft,
meldet der Verlag,
und auch ansonst verläuft mein Tag
ziellos und entkrampft.

 

Bücher schreiben, jemand sein:
Ach, was tut man nicht,
wenn’s nur Lob und Brot verspricht
und, ein Weg zu sein.

 

Niemandem als mir Gewinn:
Kein Schaden für die Welt,
dass das Buch vom Markt gestellt
und ich vergriffen bin.

 

Doch Verse bleiben mir ein Schlag,
ein schüttrer Unterstand.
Wer weiss, wie schlecht im Echsenland
mein Weg noch werden mag.

 

(26./27.12.2009; 6.3.2016)

v11.5