XVII

 

An diesem Nachmittag steht der Nebel kalt

Vorm Fenster: weisser Januar. Hochgestützt

Mit Kissen sitzt in wollnen Decken

Grossmutter, hinfällig, doch mit wachem

 

Gesicht. Bedächtig löffelt sie warmen Tee.

Nun endlich scheint das quälende Wasser weg,

Die Lungen atmen wieder frei. Ob

Wirklichkeit, so unterbricht sie plötzlich

 

Das Plaudern ihrer Gäste, ob bloss ein Traum,

Das könne sie nicht sagen: An einem Fest

Sei sie gewesen letzte Nacht, als

Gast einer noblen und schönen Frau. (Mit

 

Dem Tod hat sie gekämpft, wie die Ärztin sagt.)

Mit andern Frauen habe sie stundenlang

Geredet. Schön sei das gewesen,

Dass sie bis morgens um fünf verweilt sei,

 

Obschon doch ihre Mutter zuhaus auf sie

Gewartet haben müsse, die ganze Nacht.

Und dann? «Dann ging ich doch nach Haus, das

Fest war zu Ende.» Die schöne Herrin

 

Sei mit den andern Frauen auf eine Fahrt.

Wohin? Sie schweigt, trinkt Tee, wiederholt dann nur:

«Auf eine Reise.» — Nacht kam. In den

Lungen stieg langsam das Wasser, tötend.

 

Die Gäste flohen heimwärts. Die Nacht war grell.

Voll Widerhall des Mediengedröhns, Kuwait

Der Schauplatz eines Kriegs um Öl. Das

Warten beim Frühstück. — Dann der Anruf. 

 

[30.8.-18.9.1995]

 

Die Grossmutter ist am 17.1.1991 gestorben. Tags zuvor hat im Zweiten Golfkrieg der Kampf um Kuwait begonnen.

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